Im Alltag sehen wir auf den Baustellen und an den Maschinen fast nur Männer.
Die Maschinen und Werkzeuge sind für Männerhände gebaut, unsere Frauenhände sind kleiner! Dasselbe gilt für Arbeitskleidung. Die für Herren entworfenen Kleidungsstücke werden ein paar Nummern kleiner als Damenbekleidung verkauft. Die weibliche Anatomie spielt dabei keine Rolle! Gerade bei Sicherheitsbekleidung ist das gefährlich. Wenn z.B. die kugelsichere Weste bei Frauen nicht ordentlich sitzt, ja zum bauchfreien Top wird, weil die Brüste vom Hersteller nicht bedacht wurden.
Sucht doch mal “Werkzeuge für Frauenhände” im Internet. Wie eine Beleidigung springt Euch das rosafarbene Werkzeug an, welches sich wenig an der Handgröße einer Frau orientiert, stattdessen aber sexistische Narrative bedient.
Oder sucht mal nach “Handwerkerinnen Kleidung”! Meist stoßt ihr dann auf modische Accessoires, z.B. Latzhosen, die an Berufskleidung erinnern, präsentiert von vollbusigen Frauen mit einem sehr geringen Taillenumfang – aber funktional sind sie nicht.
Suchen wir also “funktionale Berufskleidung für Frauen”, landen wir schnell bei Krankenpflegerinnen und Köchinnen. Würde es Berufsbekleidung für den Bildungsbereich geben, dann wäre dieser Bereich bei der Suche nach “funktionaler Berufsbekleidung für Frauen” sicherlich auch mit abgedeckt.
Im Bildungsbereich arbeiten immer noch weit mehr Frauen und zwar meistens in Teilzeit! Denn wir erledigen die meisten Care-Arbeiten (siehe auch Gender-Care-Gap).
Wir sind eine Gruppe von 12 Frauen unterschiedlichster Hintergründe. Unser Verein ist in der transkulturellen Kinder- und Jugendbildung aktiv, wir arbeiten als Angestellte, Honorarkräfte und Ehrenamtliche. Wir haben ein schönes Büro in Berlin Friedrichshain, mit 4 Räumen, in denen wir außerschulische Bildung und Empowerment anbieten.
“Wenn wir es zu einem Familiencafe ausbauen würden,” überlegten wir, “Könnten wir ein paar Extra-Einnahmen generieren.” Denn Projektarbeit ist immer risikoreich, es ist oft schwer, Miete und Mitarbeitende pünktlich zu zahlen. Ein paar regelmäßige Einnahmen würden es auf jeden Fall vereinfachen. Und wir hätten unseren eigenen, super gemütlichen und diskriminierungssensiblen Treffpunkt, davon träumten wir schon so viele Jahre.
Um das Gesundheitsamt auch für unsere Idee zu gewinnen, brauchten wir im vorderen Raum einen Wasserzugang, zwei Waschbecken im Thekenbereich, abwaschbare Flächen usw. Und der Teppichboden in den vorderen Räumen mußte raus..
Wir hatten auch schon so einige Angebote eingezogen – von professionellen und von Freunden von Freunden.
Männer kamen und sahen sich das gewichtig an. Ihr Einkaufspreis war mit der Coronakrise stetig gestiegen. Sie hatten immer genügend Aufträge und bestimmten die Preise. Sie mussten weder qualitativ gut arbeiten, noch mussten sie die Zeitfenster einhalten! Sie erklärten uns ausgiebig, was sie da tun würden und wie schwierig das war, wie teuer das Baumaterial durch die Krise.
Im Projekt “Gemeinsam sind wir stark” konnten wir die Idee zum Konzept werden lassen und suchten fleißig nach Fördergeldern. Unser Projekt “Frau kann Technik” wurde gelesen, besprochen und abgelehnt. Nur die Stiftung “Alltagsheldinnen” fand es förderwürdig. Wir brachen unseren Finanzplan aufs Minimum runter und starteten unser Empowermentprojekt, indem jede von uns mehrheitlich alleinerziehenden Frauen einen Umgang mit den wichtigsten Werkzeugen und Maschinen erlernen sollte.
Jeden Tag starteten wir mit einem ausgiebigen Frühstück. Beim Essen besprachen wir alles. Wir planten die nächsten Tage, unsere Aufgaben, überlegten uns gemeinsam Lösungen zu Schwierigkeiten und Ängsten. Wir teilten unsere Erfahrungen im Baumarkt, an den Maschinen und ganz allgemein unsere Erfahrungen im Austausch mit der männlich dominierten Bauwelt.
In einer Gruppe, die ausschließlich aus Frauen bestand, waren wir alle angehalten, unsere Hemmungen zu überwinden. Es gab keine bequemen Gender-Ausreden, wie: “Ich kann das nicht! Ich bin doch kein Mann. Ich rufe meinen Sohn, der macht das! Das ist zu schwer…. “ Wir alle konnten irgendetwas nicht und wollten es selbst lernen. Wir motivierten uns gegenseitig, waren neugierig und versuchten alle entstehenden Herausforderungen zu meistern. Und Herausforderungen gab es viele!
Die Wasserrohre mussten aus dem angrenzenden Bad in den vorderen Raum verlegt werden, hier bestand die Hausverwaltung darauf, dass Profis die Leitungen verlegen sollten.
Das günstigste Angebot: 1500 Euro. Wir beauftragten also die Firma Jesse, den Wasserzugang zum vorderen Raum zu legen. Dazu rissen sie die Kacheln hinter der Toilette im angrenzenden Badezimmer auf und verschwanden. Nach etlichen Anrufen durch mehrere Kolleginnen und der Androhung, eine andere Firma mit der Fertigstellung zu betrauen, verlegten sie eine Woche später zu zweit Wasserleitungen in den vorderen Raum. Das dauerte eine weitere Woche. Nachdem die Rohre verlegt waren, verließen die Handwerker freitags stillschweigend die Baustelle mit all ihrem Werkzeug.
Montags bekamen wir einen Kostenvoranschlag von der Firma Jesse. Für 1200 € weitere Euros wollten sie nun das Bad wieder in den Ausgangszustand versetzen! Der Fehler lag auf unserer Seite, leider hatten wir den Vertrag nicht gründlich genug gelesen. Wir waren entrüstet über diese Unverfrorenheit, mit der sie unglaubliche Preise verlangten und beschlossen im Team, auch diese Arbeit selbst zu erledigen. Mit dem Wissen der erfahrenen Frauen, angereichert durch Lernvideos aus dem Internet, 60 Euro Materialkosten und einer Woche Arbeit, haben wir die Fliesen auch im Bad verlegt, die Toilette wieder angehängt und alle Schalter funktionstüchtig angebracht.
Es war echt schwierig, die richtigen Fliesen zu finden. Nicht alle Baumärkte hatten diese im Bestand. Fliesen sind schwer, nur eine Frau in der Gruppe hatte ein Auto und konnte auch nur an zwei Tagen in der Woche Fahrdienste übernehmen. So schleppten wir die Fliesen und anderes Material mit einem Einkaufswagen.
Als die Fliesen angebracht waren und wir die Toilette anschraubten, brachen zwei Fliesen und wir mussten den Vorgang wiederholen.
Auch das Zurechtschneiden der Fliesen war sehr herausfordernd. Keine von uns war genügend erfahren im Fliesen Schneiden, um mit dem richtigen Druck auf dem günstigsten Fliesenschneider aus dem Baumarkt, Fliesen zuzuschneiden. Einige Fliesen zerbrachen.
Zeitgleich verlegten wir auch Fliesen im Arbeitsbereich der Theke. Jede Frau bekam die Chance, sich mit dem Schneiden, Kleben und Verfugen der Fliesen vertraut zu machen.
Wie waren wir alle stolz und erleichtert, wenn die Fliesen am nächsten Tag noch stabil an der Wand hingen!
Wir rissen den alten Teppich aus den beiden vorderen Räumen heraus, um einen PVC Boden zu verlegen. Das war anstrengend und staubig.
Manuel, von Reencontro Familiar, unserem Zweigverein, sah unsere Posts und fragte vorsichtig, ob er als Mann denn helfen dürfte. Wir strichen gerade unseren Seminarraum und waren sehr dankbar für sein Angebot. Die Decke war unerreichbar für uns. Manuel ist ein großer und sensibler Mann. Er kam aus Hamburg angereist und strich unsere Decke. Wir aßen zusammen, bevor er wieder zurückfuhr.
Im naheliegenden Baumarkt fanden wir zu zweit den passenden PVC Boden. Aber der Mitarbeiter nahm uns nicht ernst und erklärte, wir könnten den PVC Boden nicht selbstständig transportieren. Er würde auf Grund der Größe nicht in ein Auto passen und wäre zu schwer, wir könnten ihn ganz sicher nicht tragen. Da bräuchte es mindestens ‘3 starke Männer’. Nachdem er uns das genau erklärt hatte, bot er an, den Transport durch den Baumarkt zu organisieren. Wir waren entmutigt, die Transportkosten lagen bei knapp 100 €. Das war zu teuer für uns.
Wir verließen den Baumarkt und thematisierten das Problem in der Gruppe.
Im Baumarkt gab es einen Wagen, der ausleihbar war und auch oft ausgeliehen wurde! Am dritten Tag im Baumarkt war der Wagen endlich frei und wir kauften den PVC Boden. Erst vorsichtig, aber dann ohne jegliche Problem trugen wir die große Rolle zu dritt ( das hätten wir auch locker zu zweit geschafft) und legten beide Rollen auf den Wagen.
Es war ein Spass, mit den ersten Sonnenstrahlen über unebene Wege im Park, Bordsteine und Straßen dem Baumarktmitarbeiter, ja einer ganzen Gesellschaft zum Trotz, zu schieben.
Eine Frau aus unserer Gruppe hatte bereits Erfahrung im Verlegen von PVC und sollte den Prozess anleiten. Leider war sie oft krank, wir mussten viel improvisieren und konnten den Boden zwar nicht perfekt, aber durchaus ansehnlich verlegen.
Gleichzeitig bauten wir die Theke aus teilweise recyceltem Holz, welches wir auf der Straße fanden und gemeinsam schleppten.
Eine günstige Spüle mit Handwaschbecken konnten wir auf Ebay Kleinanzeigen günstig finden, ebenso einen Herd und eine Spülmaschine, beide waren kaputt.
Es war ein tolles und sehr herausforderndes Projekt. Wir haben diskriminierende Strukturen nicht nur erkannt und den Umgang damit besprochen, wir haben alle an Selbstwert dazugewonnen und fühlen uns nicht mehr ganz so hilflos, wenn zuhause etwas kaputt geht. Im Verein gibt es die passenden Werkzeuge dazu, die wir uns ausleihen können. Im Verein gibt es auch handwerklich erfahrene Frauen, die wir um Hilfe bitten können.
Unsere ‘Blaumann’- Hosen, ein Geschenk aus dem Projekt, tragen wir mit Stolz, auch wenn wir nur wenige Hosen (nur bis Größe 42!!!) besorgen konnten, die tatsächlich für Frauen hergestellt wurden.
Hier könnt ihr euch die Bilder aus dem Projekt ansehen:
Viele von uns Jugendlichen wollen unsere Räume mit Pflanzen dekorieren, aber die verfügbaren Optionen passen nicht zu unserem Lifestyle- oder Design Geschmack.
Die Menschen im Dorf Kounoune/Senegal ernähren sich von Hirse- oder Maisprodukten. Das Getreide wird von den Frauen im Mörser zerstoßen. Das ist sehr aufwendig. Wir sammeln Spenden für 3 Mahlmaschinen.
Ein Festtag war das, an der Grundschule in Kounoune, als die Toiletten eröffnet wurden.Ein erfolgreicher Abschluss eines erfolgreichen Projektes. Wir danken im Namen aller Schüler*innen für Eure großzügige Unterstützung.
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